Geschichte der japanischen Gärten
Die japanische Gartenarchitektur beginnt mit den ersten städtischen Siedlungen und Palästen. In den fünf großen Epochen japanischer Kunst ist stets das Zusammenspiel von rechtem Winkel und natürlicher Form erkennbar. In Japan unterscheidet man zwei Arten der Schönheitswahrnehmung:
  • Schönheit im Natürlich-Zufälligen
  • Schönheit in der vom Menschen geschaffenen perfekten Form
Im Shintoismus, Japans ureigentlicher Religion, wird das Unnachahmliche in der Natur, z. B. ein ungewöhnlich geformter Felsen oder ein alter von der Witterung gezeichneter Baum, häufig als Behausung einer Gottheit verehrt. Das Wort “shinto” bedeutet Inseln der Götter.

Im Jahr 552 wurde der Buddhismus offiziell in Japan eingeführt. Seit dieser Zeit begann Japan, die chinesische Kultur zu kopieren. Dieser chinesische Einfluss hinterließ in den japanischen Gärten seine Spuren. Sie waren geprägt von heiligen Inseln und Teichen, die möglichst genau einer natürlichen Szene nachempfunden sind. Die Gärten waren groß und am besten mit dem Boot zu erkunden.

Im Jahr 794 wurde die Hauptstadt nach Heian-kyo, dem heutigen Kyoto, der “Hauptstadt der Ruhe und des Friedens” verlegt. Heian-kyo ist nach den Regeln der chinesischen Geomantie (Feng-shui) in die Landschaft eingeordnet und geographisch ausgerichtet. In der zweiten Hälfte der Heian-Zeit (794-1185) wurden die chinesischen Vorbilder der Gärten in Japan eigenständig weiterentwickelt. Die Heian-Zeit sieht den Menschen als Teil der Natur. Die Heian-Zeit brachte das berühmte “Sakutei-ki” hervor, das klassische Handbuch des Gartenbaus. Nur Mitgliedern des Adels und buddhistischen Mönchen war es vergönnt, sich mit der Gartenbaukunst zu befassen.

1185 wurde eine Militärregierung errichtet, der Shogun gründet seine eigene Hauptstadt, Kamakura. In der kriegerischen Kamakura-Zeit nimmt China ein zweites mal großen Einfluss auf Japan. Der Zen-Buddhismus wird eingeführt, durch Meditation erlangt man die Kontrolle über das Selbst, die Erleuchtung. Im Gegensatz dazu gibt es auch den Amida-Buddhismus, die Lehre vom reinen Land im Westen, die auf dem Weg der Erlösung auf “Hilfe von außen” setzen. Die neue Art von Gärten, die der Zen-Buddhismus hervorbringt, könnte man als “trockene Berg- und Wasserlandschaft” bezeichnen, die eine recht karge Natur kennzeichnet, die oft sehr abstrakt wirkt.

Die Muromachi-Zeit (1336-1573) brachte die Kirschbäume in die Palastgärten. Es war eine kriegerische Zeit. 1477 wurde Kyoto dem Erdboden gleichgemacht und dennoch erfand man während dieser Zeit viele wichtige kulturelle Formen Japans z. B. Teezeremonie, Noh-Theater, japan. Landschaftsmalerei sowie der Wandelgarten und der Trockenlandschaftsgarten, mit seinen weißen geharkten Sandflächen. Der berühmteste Trockenlandschaftsgarten ist der Steingarten des Ryoan-ji-Tempels in Kyoto. Er ist ca. 340 m² groß und besteht nur aus einer Sandfläche und 15 Steinen. Die 15 Steine sind in die freie Fläche aus geharktem Sand in drei Gruppen von jeweils sieben, fünf und drei Steinen gesetzt. Er soll der Meditation dienen, ist sehr abstrakt, kein Betrachter hat bisher herausgefunden, was der Erbauer damit ausdrücken wollte. Jeder sieht darin etwas anderes.
Info
Ryoan ji
In dieser Zeit wurden auch der berühmte “Goldene Pavillon” und der “Silberne Pavillon” mit ihren Gärten errichtet. Es entstanden überdachte Verbindungskorridore, Teepavillon, Schildkröten- und Kranichinsel, Meditationsstein, Steinkaskaden, Karpfenstein. Die Teiche wurden kleiner angelegt. Steinbrücken führen zu den Inseln.

Die folgende Azuchi-Momoyama-Zeit war sehr kurz (1573-1603) und von Prunksucht geprägt. Die Teiche wurden tiefergelegt, bekamen kunstvoll verkurvte Uferlinien, viele kleine Buchten, Flussmündungen und Halbinseln. Die Prunksucht zeigte sich auch in übergroßen Steinsetzungen, die schlichter, kraftvoller und dreidimensionaler wirkten. Ein Trockenlandschaftsgarten auf der Insel Shikoku zeigt die wahrscheinlich größte japanische Natursteinbrücke (aus einem Stein) mit einer Länge von 10,50 Metern. In Anbetracht dessen ist es erstaunlich, dass die Momoyama-Zeit auch den berühmten Teegarten hervorbrachte. Angelegt zum Durchwandern, um zur Tee-Laube zu gelangen.

In der Edo-Zeit (1615-1868) wurde Edo Hauptstadt Japans. China nahm ein drittes Mal Einfluss auf Japan. Der Buddhismus machte dem Neokonfuzianismus Platz. Die Teezeremonie wurde ins Leben gerufen, daraufhin nahm die Gestaltung der Teegärten ihren Lauf. Neu hinzu kam in der Edo-Zeit die Kunst des shakkei. Sie bezieht weit entfernt liegende Elemente der umgebenden Landschaft in die Gartenkomposition mit ein. Der Wandelgarten entsteht neu, er vereinigt in sich Elemente aller vorangegangenen Gartenprototypen. Viele Teichgärten wurden geschaffen, welche von den rechten Winkeln des Gebäudes gerahmt, wie ein dreidimensionales Bild wirken. Neu ist, dass diese Gärten an bereits vorhandenen Hügeln nahe der Gebäude angelegt wurden. So konnte auf das Anlegen eines Hügels verzichtet werden, die Teiche dienten auch als Löschwasseranlage (beim Brand des Gebäudes).

Der neue Gartentyp der Meiji-Zeit Anfang des 20. Jahrhunderts ist dominiert von behauenen Natursteinen. Er stellt keine Landschaften nach, er ist Ausdruck des Lebensgefühls der Moderne.

Edo erhielt den Namen Tokyo, “Hauptstadt des Ostens”. Der westliche Einfluss brachte neue, synthetische Materialien in die Gärten. Viele Gärten aus der Momoyama- und Edo-Zeit wurden zu öffentlichen Parks erklärt. Meist verwildert, wurden einige nach europäischem Vorbild wieder instandgesetzt, weil das Wissen um die japanische Gartenkunst verloren ging, andere verfielen. Erst später veröffentlichte Bücher weckten wieder das Interesse an der traditionellen japanischen Gartenkunst.

Während der Showa-Zeit (1926-1988) wurden dank eines großen japanischen Gartenkünstlers und -historikers wieder echte Trockenlandschaftsgärten geschaffen. Es entstanden vielfältige Muster, die in den Sand geharkt werden. Die Steine werden jetzt meist aufrecht stehend gesetzt.

Die verschiedenen Gartentypen in der Geschichte der japanischen Gartenkunst bestanden und bestehen nebeneinander, kein Gartenstil wurde durch einen anderen ersetzt. Diese einmalige Kunst der japanischen Gartengestaltung ist faszinierend und sollte allen, die sich daran erfreuen, erhalten bleiben.
Nach oben